Digitales Neuland verantwortungsvoll gestalten, 26.07.2015: 

"Das Internet ist für uns alle Neuland"

Die Feststellung der Bundeskanzlerin "Das Internet ist für uns alle Neuland." [1] nach den Snowden-Enthüllungen hat In der Netzcommunity einiges an Heiterkeit und zum Teil auch Häme ausgelöst. Der These "Das Internet ist für uns alle Neuland." kann ich nur zustimmen. Wobei ich keinesfalls mit der Expansion des Staates, darunter auch der Bundesregierung im digitalen Neuland einverstanden bin.

In meiner Wahrnehmung unterscheidet sich das Verhalten des Staates und der Wirtschaft im digitalen Neuland kein bisschen vom früheren Verhalten der Europäer in Bezug auf die neue entdeckte Länder im Zuge der Kolonisierung. Die kulturelle und politische Eigenständigkeit der Bewohner in den neuen Ländern wurden im Zuge der Kolonisierung zum Teil auf brutalste Weise niedergewälzt, die Beziehungen zu diesen Ländern wurden den wirtschaftlichen Interessen untergeordnet.

digitales Neuland zum Wohle der Allgemeinheit weiterentwickeln

Im digitalen Neuland haben sich heutzutage die Megakonzerne etabliert, die über eine Wirtschaftsmacht verfügen, der einzelne Staaten nicht gewachsen sind. Die Bewohner des Neulands, die Nutzer der digitalen Infrastruktur sind den Megakonzernen hoffnungslos ausgeliefert. Bin der Meinung, dass nur dann, wenn die Akteure der Zivilgesellschaft sich aktiv engagieren, kann sich das digitale Neuland zum Wohle der Allgemeinheit weiterentwickeln. Eine besondere Verantwortung tragen dabei die Zeitgenossen, die gegenwärtig als Unternehmer, Politiker und Webentwickler dafür sorgen, dass das Neuland mit einer flächendeckenden Überwachungsinfrastruktur ausgestattet wird.

Ehrenkodex für Digitalschaffende

Ich sehe dabei die Webentwickler, die Webworker mit ihrem technischen know-how in einer besonderen Verantwortung. Weil es sind die Webentwickler, die als selbständige Freiberufler, Angestellte in der Privatwirtschaft und bei der öffentlichen Hand beim Ausbau der digitalen Überwachungsinfrastruktur oft alles machen, was technisch machbar und dank den rechtlichen Grauzonen nicht verboten ist.

De politische Klasse hat an der Etablierung der o.g. Überwachungsinfrastruktur ein verständliches Interesse - diese Infrastruktur ist für die in der Politik überlebenswichtige Meinungsforschung und Meinungsmanipulation effizient wiederverwendbar. Nicht zuletzt deswegen dauert die Anpassung der Gesetzgebung an die neue technische Realitäten oft Jahre und Jahrzehnte. Unter diesen Umständen könnte eine Selbstverpflichtung der Webschaffenden abseits der Gesetzgebung zur Einhaltung von bestimmten Regeln dazu beitragen, dass solche Werte wie Privatsphäre und Menschenwürde im digitalen Neuland geachtet werden. Ich denke dabei an ein Regelwerk ähnlich dem Pressekodex oder dem Ehrenkodex der Wissenschaftler - damit digitaler Raum als lebenswerter Raum uns erhalten bleibt.

Quellen

[1] Die Kanzlerin entdeckt #Neuland, 19.06.2013 - http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/kanzlerin-merkel-nennt-bei-obama-besuch-das-internet-neuland-a-906673.html 
[2] Zukunftsfähige digitale Ökosysteme im Post-Google-Zeitalter, 13.10.2014 - http://blog.sprechrun.de/?p=1866