Nach "Landesverrat"-Ermittlungen: Experten fordern Gesetzesreformen

Juristen und Journalisten haben bei einem Fachgespräch im Bundestag gefordert, das Zeugnisverweigerungsrecht von Pressevertretern zu stärken und auf "Gelegenheitsblogger" auszudehnen. "Staatsgeheimnisse" seien enger zu fassen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 48 Kommentare lesen
Netzpolitik.org Logo
Lesezeit: 3 Min.
Inhaltsverzeichnis

Rechtsexperten und Praktiker aus der Medienbranche halten nach den Ermittlungen gegen zwei Blogger von Netzpolitik.org wegen Landesverrat gesetzliche Nachbesserungen für nötig. Die als Sachverständige geladenen Vertreter der "4. Gewalt" sahen am Montag bei einem Fachgespräch der Grünen im Bundestag die Pressefreiheit durch die Affäre zwar eher gestärkt, nachdem der frühere Generalbundesanwalt Harald Range seinen Stuhl räumen musste und das Verfahren eingestellt wurde. Dennoch sei es wichtig, vergleichbaren einschüchternden Maßnahmen schon im Vorfeld besser entgegenzuwirken.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich jüngst dafür ausgesprochen, auch die Beihilfe zum Landesverrat analog zum Geheimnisverrat gesetzlich straffrei zu stellen. Dies reiche nicht aus, war sich das Podium einig. Vor allem beim Zeugnisverweigerungsrecht von Pressevertretern müsse ebenfalls nachgebessert werden.

Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, empfahl, im Paragraph 53 Strafprozessordnung (StPO) nicht mehr auf eine "berufsmäßige" Tätigkeit schützenswerter, an der Meinungsbildung beteiligter Journalisten abzustellen und den Zusatz zu streichen. Der Begriff lade derzeit zu Fehlinterpretationen bei Ermittlungsbeamten "an der Front" etwa bei geplanten Durchsuchungen oder Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung geradezu ein. Nicht jeder Polizist habe nämlich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts parat, wonach ein Journalist mit seiner Tätigkeit etwa nicht unbedingt Geld verdienen müsse.

Es müsse klar sein, dass das Zeugnisverweigerungsrecht für alle gelte, die "Informationen recherchieren, aufbereiten und veröffentlichen", führte Buermeyer aus. Auch der "Gelegenheitsblogger" müsse darunter fallen, der nicht mit einer "gewissen Regelmäßigkeit" Beiträge liefere. Wenn jemand auf Wikileaks einfach Dokumente ins Netz kippe, sei dies aber kein Journalismus. Aus dem Publikum hagelte es daraufhin Protest, da auch die Whistleblower-Plattform einen "großen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung" leiste.

Parallel ist dem Kölner Strafrechtler Nikolaos Gazeas Paragraph 160a StPO ein Dorn im Auge, der das Zeugnisverweigerungsrecht etwa von Medienschaffenden von einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit abhängig macht. Er plädierte hier dafür den Schutz des Journalisten in eine Liga zu bringen mit den von vornherein besser gestellten Strafverteidigern und Abgeordneten. Damit dürfe der Gesetzgeber aber "keinen Freibrief für jemand schaffen, der unter dem Deckmantel Journalismus Sachen macht, die wir alle nicht wollen".

Gazeas schlug weiter vor, Ermittlungen gegen Pressevertreter wegen Landesverrat von einem Plazet des Justizministers abhängig zu machen und so "disziplinierend" zu wirken. Zudem müsse der "Wut der Verschlusssachen Einhalt" geboten werden, indem etwa die Fristen bis zu einer Veröffentlichung herabgesetzt oder die Geheimhaltungsgründe alle paar Jahre überprüft werden müssten.

Die NDR-Justiziarin Carola Witt räumte ein, dass den Sender die von Range beziehungsweise vom Strafantrag stellenden Bundesamt für Verfassungsschutz herausgeholte Keule "auf dem linken Fuß erwischt" habe: Sie habe beim Publikwerden der Vorgehensweise rasch mit mehreren Kollegen besprochen, was man veröffentlichen dürfe: "Jetzt wissen wir wieder Bescheid." Beim NDR sei noch keine Beschlagnahme durchgeführt oder angedroht worden, es sei gegen das Rundfunkhaus aber in mehreren Fällen ermittelt worden.

Schwerer taten sich die Experten mit Vorschlägen, auch Whistleblower besser zu schützen. Als "brandgefährlich" für Hinweisgeber tat Buermeyer den geplanten Paragraphen gegen Datenhehlerei im umstrittenen Regierungsentwurf zur Vorratsdatenspeicherung ab. Nach Protesten sei darin nun nur eine "halbherzige Klausel" zu finden, "die Journalisten schützen will".

(axk)