Die staatliche Intransparenz lüften, 06.09.2015: 

Die Appelle der Politik gegen die Politikverdrossenheit bleiben leere Worthülsen und Lippenbekenntnisse, wenn nichts gegen die Behörden-Intransparenz unternommen wird.

Die aktuelle netzpolitik.org-Affäre zeigt, dass die Rahmenbedingungen im Bund dazu führen, dass die getroffenen Entscheidungen und die Verantwortung der Amtspersonen bei der Entscheidungsfindung bereits wenige Tage, nachdem eine Entscheidung gefallen ist, nicht nachvollziehbar sind. Diese Intransparenz des Staates bietet viel Spielraum für Interpretationen, beschädigt die Akzeptanz der jeweiligen Entscheidungen bei den BürgerInnen und das Ansehen der politischen Akteure. Weitere Konsequenzen sind, dass die Umsetzung von politischen Entscheidungen stockt, die Gesellschaft gespalten und die Demokratie nachhaltig geschwächt wird.

Schwarzer Peter im (In)Transparenz-Spiel

OldMaid234170“ von Keiser Soze aus he. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons

Die Eliten in der Politik schieben den Schwarzen Peter "Wer ist für die Intransparenz und ausufernde Bürokratie verantwortlich?" hin und her und unternehmen nichts, um den BürgerInnen zeitgemäße niederschwellige Kommunikationskanäle anzubieten.

Die Antwort aus dem Büro Thomas Oppermann enthält keine Hinweise darauf, wie die Lösungsansätze der SPD für die in [3] und [4] beschriebenen Hürden bei der Beschaffung von Informationen bei den staatlichen Stellen beseitigt werden.

Ich habe Zweifel, ob ein Beitritt Deutschlands zu der Initiative "Open Government Partnership" einen positiven Einfluss darauf haben kann, dass die Hürden für die BürgerInnen bei der Beantwortung von Informationsfreiheitsanfragen abgebaut werden. Ich bin bei diesem Partnership-Vorhaben eher skeptisch, weil die Verzettelung von staatlichen Einrichtungen durch die Teilnahme an Initiativen wie "Open Government Partnership" die begrenzten Ressourcen von Behörden zusätzlich beanspruchen und die Fortschritte in der Sache "Hürden für die BürgerInnen bei der Beantwortung von Informationsfreiheitsanfragen abbauen" eher verzögern wird.

Public Value und Auffindbarkeitsprivileg - wer profitiert davon?

Die politischen Eliten schieben den Schwarzen Peter "Wer ist für die Intransparenz des Staates verantwortlich" hin und her. Sie unternehmen nichts, um:

  • den Staat transparenter zu machen
  • die Zivilgesellschaft bei der Entwicklung einer neuen Medienordnung einzubeziehen, um die Interessen aller Akteure im Medienzeitalter zu berücksichtigen.

Dafür basteln diese Eliten hinter verschlossenen Türen an der neuen Medienordnung, deren zentrale Begriffe Public Value und Auffindbarkeitsprivileg sind. Es ist nachvollziehbar, dass die Auffindbarkeit zu den zentralen Begriffen im Konvergenzgutachten und in den Stellungnahmen der Medienwirtschaft gehört. Die etablierten Parteien sind dabei, eine Infrastruktur für eine positive Zensur in Deutschland und EU-weit zu installieren:

Es ist für mich nicht ersichtlich, wie ein Beitritt zu der "Open Government Partnership"-Initiative das Auffindbarkeitsproblem lösen kann. Ein Open-Data-Portal, das in der Antwort aus dem Büro Thomas Oppermann erwähnt wird, schafft auch kein bisschen mehr Informationsfreiheit, wenn sich die Einstellung von Amtsträgern zu den Informationsfreiheitsanfragen in den Behörden nicht ändert. Stellen Sie sich vor, die Informationen sind in riesigen Datenbanken zusammengetragen, die BürgerInnen können diese Infos aber nicht finden und bekommen auch wenig bis gar keine Hilfe von Staatsbediensteten, die diese Daten bereitgestellt und deswegen schnell finden können. Eine derartige Blockadehaltung von Staatsbediensteten ist bereits jetzt die gelebte Praxis, und Beispiele dafür sind auf der Website https://fragdenstaat.de/ mehrfach zu finden.

"neue Medienordnung"-Flüchtlinge

LU€$I-Satire: Bei fortschreitender Lektüre des Konvergenzgutachtens gewinne ich zunehmend den Eindruck, dass die Gutachter selbst, die Bundesländer, die Große Koalition, die öffentlich-rechtliche und die private Rundfunkanbieter bei der Vorbereitung der neuen Medienordnung versuchen in eine Filter Bubble zu flüchten.

Das Bild kann hier heruntergeladen und mit der freien Software GIMP weiterverarbeitet werden.

In dem von der Rundfunkkomission beauftragten Konvergenzgutachten erwähnen die Gutachter das Phänomen Filter Bubble: "Danach findet im Extremfall eine Auseinandersetzung nur noch mit Inhalten statt, die einen Bezug zu persönlichen Präferenzen aufweisen, sodass der durch Medien beförderte demokratische Prozess unter der Ausblendung nicht präferierter Meinungen leiden kann10. Dies wird unter dem Stichwort „Filter Bubble“ (oder auch „Echo Chamber“; „Ego Loop“) diskutiert." Konvergenzgutachten, S. 19. Wenn ich das bisherige Geschehen um die "neue Medienordnung" betrachte, dann werde ich das Gefühl nicht los, dass die bisherigen "neue Medienordnung"-Macher dabei sind, in eine Filterblase aus den alten Gewohnheiten zu flüchten. Aus diesem fragilen Versteck heraus versuchen die Politiker, die Medienkonzerne, die Funktionäre aus den Landesmedienanstalten die Realität um diese Blase herum mit Hilfe einer ausgeklügelten Medienordnung zu verwalten und zu manipulieren. Die Informationen aus dieser für die "neue Medienordnung"-Flüchtlinge unverständlichen Realität werden von den Flüchtlingen selbst dahingehend selektiert, dass diese Informationen (bspw. die Expertise der Zivilgesellschaft) die Verabschiedung einer dem eigenen Wunschdenken angepassten Medienordnung nicht gefährden. Dazu passt auch, dass die o.g. Akteure bis dato konsequent vermieden haben, eine Expertise der Zivilgesellschaft zum Vorhaben "neue Medienordnung" einzuholen.

Überzeugende Konzepte für eine politische Kommunikation

Statt den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben und auf eine Lösung von Problemen durch internationale Initiativen zu hoffen, erwarte ich von den politischen Akteuren, dass sie überzeugende Konzepte und am besten handfeste Pläne für niederschwellige Kommunikationskanäle entwickeln und für diese Konzepte und Pläne werben - beim Koalitionspartner und/oder in der Öffentlichkeit.

Falls die Strategen in der Politik weiterhin ihre Augen verschließen, in den Hinterzimmern an einer neuen Medienordnung basteln, und die Parlamentarier zulassen, dass der Staat eine flächen-deckende Überwachungsinfrastruktur installiert, müssen sich diese Strategen und Parlamentarier nicht wundern, dass die Wähler sich von so einer Politik abwenden.

von A bis Z

"Angebote mit besonderem Mehrwert für die öffentliche Kommunikation“
das Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, Seite 29

LU€$I-Satire: So verstehe ich den derzeitigen Lösungsansatz der Bundesländer, der Großen Koalition, der öffentlich-rechtlichen und der privaten Rundfunkanbieter bei der Vorbereitung der neuen Medienordnung. Sie versuchen mit der staatlich verordneten herausgehobenen Auffindbarkeit von Medienangeboten, die von irgendeinem Gremium als journalistisch-redaktionelle Angebote bzw. "Angebote mit besonderem Mehrwert für die öffentliche Kommunikation“, kurz Public Value eingestuft werden der Übermacht von Google und Co. begegnen. Ich sehe hier ein typisches Beispiel für eine "Filter Bubble", in die die o.g. Vorkämpfer der neuen Medienordnung selbst abgetaucht sind und - wenn diese Medienordnung wie geplant umgesetzt wird - in der auch alle andere Mediennutzer zwangsversenkt werden.

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Auffindbarkeit (2)  - Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, Seite 38

Datenschutz

  • "Von Anfang an ausgeklammert waren Fragen des Jugend- und Datenschutzes und des Urheberrechts, es sei denn, die Materien sind mit dem Untersuchungsgegenstand untrennbar verbunden." - Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, Seiten 61, 96
  • ich bin fest davon überzeugt, dass das "journalistisch-redaktionelle Angebot", das im Gutachten zum zentralen Zentralbegriff erklärt ist, untrennbar mit dem Thema Datenschutz verbunden ist. Allein deswegen: "Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nimmt im sog. Medienprivileg die ausschließlich journalistisch-redaktionelle und literarische Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten weitgehend von den ansonsten einzuhaltenden Datenschutzbestimmungen aus." - zitiert aus Wikipedia. S. auch Medienprivileg.
"These: Im Kontext der Meinungsfreiheit sind Medienprivileg, der Datenschutz und die Kommunikationssicherheit drei Seiten einer 3D-Medaille. Medienprivileg, Datenschutz und Kommunikationssicherheit sind für einen freien Meinungsbildungsprozess unverzichtbar"

Medienprivileg

  • "Zielsetzung: Hintergrund des Medienprivilegs ist die Sicherung der in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Pressefreiheit, welche Ausforschung und staatliche Einflussnahme auf die Massenmedien verhindern soll.

    Bedeutung: Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nimmt im sog. Medienprivileg die ausschließlich journalistisch-redaktionelle und literarische Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten weitgehend von den ansonsten einzuhaltenden Datenschutzbestimmungen aus." - zitiert aus Wikipedia

Quellen

[1] höhere Wahlbeteiligung dank einer zeitgemäßen Kommunikation mit dem Staat, 18.08.2015 - http://neue-medienordnung-plus.sprechrun.de/?id=3479
[2] Blogger-Affäre: Neuer Schlagabtausch zwischen Maas und Range, 19.08.2015 - http://www.weser-kurier.de/deutschland-welt/deutschland-welt-politik_artikel,-Blogger-Affaere-Neuer-Schlagabtausch-zwischen-Maas-und-Range-_arid,1190126.html
[3] Ministerien antworten nicht auf FDS wegen Verwaltungsverfahrengesetz, 10.08.2015 - https://lists.okfn.org/pipermail/fragdenstaat/2015-August/000855.html
[4] Behörden auf Tauchstation, 17.08.2015 - https://lists.okfn.org/pipermail/fragdenstaat/2015-August/000879.html
[5] neue Medienordnung - ein Schnelleinstieg, 06.02.2015 - http://luesi.sprechrun.de/?id=2362
[6] Tätigkeit der AG Medienstaatsvertrag - https://fragdenstaat.de/a/8711#id_m25246-sender
[7] "Whistleblower dürfen nicht benachteiligt werden", 18.08.2015 - http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-08/netzpolitik-whistleblower-schutz-gesetz
[8] „Verdacht des Landesverrats“: Generalbundesanwalt ermittelt doch auch gegen uns, nicht nur unsere Quellen, 30.07.2015 - https://netzpolitik.org/2015/verdacht-des-landesverrats-generalbundesanwalt-ermittelt-doch-auch-gegen-uns-nicht-nur-unsere-quellen/
[9] Geheime Referatsgruppe: Wir enthüllen die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung (Updates), 15.04.2015 - https://netzpolitik.org/2015/geheime-referatsgruppe-wir-praesentieren-die-neue-verfassungsschutz-einheit-zum-ausbau-der-internet-ueberwachung/
[10] Torsten Albigs absurder Vorschlag gegen die Pressefreiheit, 05.03.2015 - www.shz.de/schleswig-holstein/politik/torsten-albigs-absurder-vorschlag-gegen-die-pressefreiheit-id9131036.html
[11] 239 Anti-Terror-Maßnahmen nach 9/11 sind nicht genug? EU-Innenminister wollen Freiheitsrechte weiter einschränken, 15.01.2015 - https://netzpolitik.org/2015/239-anti-terror-massnahmen-nach-911-sind-nicht-genug-eu-innenminister-wollen-freiheitsrechte-weiter-einschraenken/ l
[12] Rettet Bürgerbefragung die Demokratie? 25.08.2015 - www.deutschlandradiokultur.de/volksentscheid-rettet-buergerbefragung-die-demokratie.1005.de.html


Dieser Artikel wurde lektoriert von R. von Barghorn