Berlin - „Tun Sie mir einen Gefallen!“, ruft Jim Messina. „Gucken Sie sich keine Umfragen an. Die meisten sind falsch.“ Der 45-jährige US-Amerikaner – Architekt der Kampagne, die zu Barack Obamas Wiederwahl ins Weiße Haus führte – übernimmt am Sonnabend bei der SPD in Berlin die Rolle des Motivationstrainers. „Wenn wir alle zusammenarbeiten, können wir die Wahl gewinnen“, so seine wichtigste Botschaft. Ein Hauch von „Yes, we can“ bei den Genossen.

Hoffnungen und Zweifel mischen sich hier im alten Gasometer in Berlin-Schöneberg, wo sonst Günther Jauch seine Talkgäste empfängt. Die SPD hat zum „Campaign Camp“ geladen, einen neuem Veranstaltungsformat, das der Vorbereitung des Bundestagswahlkampfes dienen soll. 900 Interessierte sind gekommen. Es gehe darum, „das große Gespräch mit der Gesellschaft zu suchen“, zitiert Generalsekretärin Yasmin Fahimi Willy Brandt.

Die 25-Prozent-Partei SPD holt sich Nachhilfe aus den Staaten in Sachen Kampagnenfähigkeit. Parteichef Sigmar Gabriel hat „PR-Messias“ Messina engagiert. Über die Höhe des Honorars schweigen sich die Sozialdemokraten aus. Was der Gast, der nicht nur Obama, sondern auch den Konservativen David Cameron in Großbritannien erfolgreich unterstützt hat, da vorträgt, ist Balsam für die Seelen der Genossen. Ein Jahr vor dem Wahltermin habe Obama nur eine Chance von 17 Prozent auf Wiederwahl gehabt und dann sei es gelungen, die Stimmung doch noch zu drehen, macht Messina Mut.

Das Wahlkampf-Genie, Spitzname „Fixer“, Mann für alle Fälle, setzte auf eine Kampagne vor allem bei Facebook, Twitter & Co., gab weniger Geld für Fernsehspots aus. „Das persönliche Gespräch ist 700 Mal effektiver als jede Werbekampagne“, impft der charismatische Mann mit dem jungenhaften Gesicht und dem rötlichen Haar den Genossen ein. Besonders in den „Swing States“ mit vielen unentschlossenen Wählern habe man angegriffen. „Mit einer regelrechten Freiwilligenarmee“, so Messina. 2,2 Millionen Helfer, die Freunde und Bekannte on- und offline überzeugten, ihr Kreuzchen bei Obama zu machen. Messina konnte dabei zurückgreifen auf riesige Datensätze mit persönlichen Angaben und politischen Vorstellungen möglicher Unterstützer: „Was früher an Überzeugungsarbeit über den Gartenzaun hinweg ging, machen wir jetzt online.“

Von Obama lernen heißt siegen lernen? Kann die SPD die Kampagne der US-Demokraten ohne weiteres kopieren? Wohl kaum. Zum einen sind die Budgets in Deutschland andere. In Obamas Wahlkampf hatte Messina 1,1 Milliarden Dollar zur Verfügung. Zum anderen dürfte einige Ideen in Sachen Kampagne im Netz an strikteren deutschen Datenschutzregeln scheitern. Aber den richtigen Spirit erkennt der PR-Guru bei der SPD bereits. Sie habe einen hervorragenden Parteivorsitzenden und eine tolle Führungsmannschaft. Gabriel hört die Komplimente nicht. Der wahrscheinliche Kanzlerkandidat der Genossen ist nicht da, verbringt den Tag mit der Familie in Goslar.

Jetzt, fährt Messina fort, müsse es gelingen zu vermitteln, dass Politik auch Spaß machen könne. Dann würden sich genügend Unterstützer für die Kampagne finden: „Bei jeder Aktivität muss es eine Minute Spaß geben.“ Am Ende seines Vortrags zeigt Messina ein Bild vom Wahlabend, wie er sich mit Barack Obama in den Armen liegt. „Ich habe geweint wie ein vierjähriger Junge“, gesteht der Polit-Profi.

Dass es solche Bilder 2017 auch von ihm und Sigmar Gabriel geben wird, bezweifeln viele im Saal. Ohnehin ist unsicher, ob Messina noch bis zur Bundestagswahl mit an Bord bleibt. Zieht er doch bereits im Hintergrund der Kampagne von Hillary Clinton die Fäden. „Ich hoffe doch sehr, dass er uns noch eine Weile zur Verfügung stehen wird“, sagt SPD-Generalsekretärin Fahimi.