neue Medienordnung der Großen Koalition - ein Angriff auf die Informationsfreiheit, 02.03.2015: 

Googles Vorschläge aus der Mottenkiste finden bei der CDU und SPD ein Gehör

Geht es nach dem Willen der der Großen Koalition und der Länderchefinnen und Länderchefs, dann werden Googles Vorschläge zur Netzregulierung mit Zwei-Klassen-Internet, die von der FCC (Zulassungsbehörde für Kommunikationsgeräte in den USA) am Donnerstag abgelehnt wurden [2], in Deutschland mit dem Etikett neue Medienordnung realisiert. Einen ziemlich faden Beigeschmack hinterlassen diese Umstände:

Beunruhigend ist die Tatsache, dass die im Konvergenzgutachten anvisierte Methoden für die Steuerung von Meinungsbildungsprozessen beim Deutschlandfunk scheinbar bereits in der Praxis eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist in der "Programmbeschwerde: Nachrichtenunterdrückung beim Deutschlandfunk und Staatsnähe des Deutschlandfunks" [4] detailliert beschrieben. 

Ich hoffe sehr, dass der Deutschlandfunk die Ursachen für die in [4] beschriebene Nachrichtenunterdrückung klärt und geeignete Maßnahmen ergreift, um "im Rahmen seines Programmauftrages nach § 11 Abs. 2 und 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) die Pflicht, „im Interesse von Informationsfreiheit und Demokratie, ein vielfältiges, umfassendes und ausgewogenes mediales Angebot zu sichern.“" zu erfüllen.

verwaltete Demokratie

Die Freigabe von Informationen - wer was wissen darf, wird entlang der Hierarchie-Leiter von oben nach unten entschieden - so funktioniert es im behördlichen Umfeld und diese Praxis mag ihre Berechtigung haben - aber nur in diesem Umfeld. Die lebendige Demokratie wird in eine verwaltete Demokratie [7] gequetscht, falls die in staatlichen Einrichtungen praktizierte Regel für die Kommunikationssteuerung auf die Meinungsbildungsprozesse in der Zivilgesellschaft übertragen werden.

Die Lektüre der Handlungsoptionen im Konvergenzgutachten [3] vermittelt den Eindruck, dass g'rade diese Art einer verwalteten Demokratie von der regierenden Großen Koalition und der Länderchefinnen und Länderchefs mit der neuen Medienordnung [6] angestrebt wird. Meine umfangreiche Recherche zum Thema "neuen Medienordnung" zeigt, dass so gut wie alle öffentlich-rechtliche Medien [8] sowie von der Politik als Gutachter berufene Wissenschaftler sich mit der Politik im Streben nach einer s.g. Konvergenten Medienordnung verbündet haben. In diesem Zusammenhang habe ich ernsthafte Sorgen, dass das Gebot der Staatsferne [9] in diesem munteren Treiben rundum der Konvergenten Medienordnung systematisch großflächig und nachhaltig verletzt wird.

Und ich vermisse im Gutachten [3] die wissenschaftliche Unabhängigkeit, die Freiheit des wissenschaftlichen Geistes vom Wunschdenken der Politiker und von dem durch das Gewinnstreben gesteuerten Einfluss aus der Wirtschaft. Ich sehe in [3] ein Paradebeispiel dafür, wie die Wissenschaftler ihre Glaubwürdigkeit leichtfertig auf's Spiel setzen.

Datenschutz, Qualitätsjournalismus und Staatsferne als zentrale Ordnungselemente der neuen Medienordnung

"These: Im Kontext der Meinungsfreiheit sind Medienprivileg, Datenschutz und Kommunikationssicherheit drei Seiten einer 3D-Medaille. Medienprivileg, Datenschutz und Kommunikationssicherheit sind für einen freien Meinungsbildungsprozess unverzichtbar"

"So zeigt es sich, dass die Finanzierung von journalistisch-redaktionellen Angeboten prekär werden kann. Insoweit kann die Absicherung der Refinanzierbarkeit publizistischer Leistungen ein Ziel des Art. 5 GG sein." - Gutachten „Konvergenz und regulatorische Folgen“, Seite 60. Es bietet sich an dieser Stelle an, eine Expertise der Zivilgesellschaft zum Vorhaben "neue Medienordnung" einzuholen. Bspw. haben die Gewerkschaften, Personalräte und die Journalistenverbände ganz sicher Ideen und Vorschläge, wie man der Prekärisierung der Beschäftigungs-verhältnisse in der "neuen Medienordnung" entgegensteuern kann. Die Gewerkschaften, Personalräte und die Journalistenverbände brauchen dafür keine Hilfestellungen von zusätzlichen bürokratischen Strukturen, keine zusätzliche europarechtliche Gesetzgebung und keine externen Gutachter - alles Maßnahmen, die im Konvergenzgutachten [5] vorgeschlagen werden, s. Seiten 93-94, 121-122.

Quellen

[1] Digitale Zweiklassengesellschaft. Will Google die Netzneutralität aufheben? 14.08.2010 - http://www.deutschlandfunk.de/digitale-zweiklassengesellschaft.684.de.html?dram:article_id=42701
[2] FCC gegen Zwei-Klassen-Internet: Die Drei Gebote der Netzneutralität, 27.02.2015 - http://www.heise.de/netze/meldung/FCC-gegen-Zwei-Klassen-Internet-Die-Drei-Gebote-der-Netzneutralitaet-2560672.html
[3] Gutachten "Konvergenz und regulatorische Folgen", 17.10.2014 - http://www.hans-bredow-institut.de/de/forschung/konvergenz-regulatorische-folgen
[4] Programmbeschwerde: Nachrichtenunterdrückung beim Deutschlandfunk und Staatsnähe des Deutschlandfunks, 01.03.2015 - http://sprechrun.de/web21/fileadmin/Rundfunkveranstalter/deutschlandfunk/Nachrichtenunterdrueckung-Staatsnaehe-im-Deutschlandfunk/Nachrichtenunterdrueckung-Staatsnaehe-im-Deutschlandfunk.pdf
[5] Grundversorgung#Rundfunk - https://de.wikipedia.org/wiki/Grundversorgung#Rundfunk
[6] neue Medienordnung - ein Schnelleinstieg, 06.02.2015 - http://luesi.sprechrun.de/index.php?id=2362
[7] RU:gelenkte, HU:illiberale, DE:verwaltete Demokratie - http://luesi.sprechrun.de/?id=2352
[8] Medienunternehmen fordern Weiterentwicklung der Plattformregulierung, 27.11.2013 - www.ard.de/home/intern/presse/pressearchiv/Medien_fordern_Fortentwicklung_der_Plattformregulierung/550956/index.html
[9] Staatsferne - https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsferne